Landesregierung ruft zweite Pandemiestufe aus


Aufgrund steigender Infektionszahlen und diffusem Ausbruchsgeschehen in einzelnen Landkreisen hat die Landesregierung die zweite Pandemiestufe ausgerufen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann appelliert eindringlich an die Menschen, sich an die Corona-Regeln zu halten. Kontrollen werden weiter verschärft.

Die Landesregierung hat heute für Baden-Württemberg die zweite Stufe der Corona-Pandemie ausgerufen. Deutlich ansteigende Infektionszahlen, ein diffuses Infektionsgeschehen in einzelnen Landkreisen, zahlreiche Ausbrüche nach privaten Feiern sowie der erneute Übertrag des Virus in Pflegeheime waren ausschlaggebend für diesen Schritt. Gesundheitsminister Manne Lucha hat das Kabinett am Vormittag über die Maßnahmen informiert, die mit der zweiten Pandemiestufe einhergehen.

„Hab‘ Acht-Stufe“ – Alles tun, damit sich kein exponentieller Anstieg der Zahlen entwickelt

„Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung haben wir das Virus eingedämmt. Darauf können wir alle zusammen stolz sein. Aber wir sind noch längst nicht über dem Berg. Das Virus ist noch immer da – und leider stecken sich seit Wochen wieder mehr Menschen an“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Wir müssen jetzt alles tun, damit sich kein exponentieller Anstieg der Zahlen entwickelt und wir das Virus im Griff behalten. Und deshalb haben wir heute die zweite Pandemiestufe für Baden-Württemberg ausgerufen“, so Kretschmann weiter. Die zweite Stufe bringe erst einmal keine neuen landesweiten Einschränkungen mit sich. „Wir sprechen hier von der ,Hab‘ Acht-Stufe‘. Das heißt: Wir sind aufgrund der aktuellen epidemiologischen Lage zu noch mehr Wachsamkeit und Sorgfalt verpflichtet. In den letzten Tagen sind die Fallzahlen in einigen Landkreisen stark angestiegen. Die 7-Tage-Inzidenz liegt in Baden-Württemberg inzwischen bei 16,4. Deshalb treffen wir jetzt Vorsorge, damit sich die Situation nicht weiter verschärft. Ich appelliere eindringlich an die Bürgerinnen und Bürger, sich an die Corona-Regeln zu halten. Es liegt jetzt an uns allen, einen zweiten landesweiten Lockdown zu verhindern – und damit nicht Schulen, Kitas oder Geschäfte erneut flächendeckend schließen zu müssen.“

Kontrollen werden weiter verschärft

Gesundheitsminister Manne Lucha: „Wir appellieren an die Verantwortungsgemeinschaft der Vernünftigen. Gleichzeitig werden wir aber auch die Kontrollen zur Einhaltung der Corona-Regeln weiter verschärfen und Missachtungen streng mit Bußgeldern ahnden. Wir alle haben es in der Hand, wie wir durch die Pandemie kommen.“

Konkret heißt das:

  • Appell an die Bürgerinnen und Bürger, die AHA-Regeln (Abstand halten – Hygiene beachten – Alltagsmaske tragen) zu beachten,
  • verschärfte Kontrollen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und in Einkaufsstätten,
  • verschärfte Kontrolle in Restaurants, Bars und Kneipen sowie in Hotels,
  • verstärkte Kontrolle des Mindestabstands und der Maskenpflicht in geschlossenen Räumen.

Regionale Einschränkungen

Dort, wo die Inzidenz über einen längeren Zeitraum hoch ist (über 35/100.000 Einwohner), werden die örtlichen Behörden regionale, durchaus auch empfindliche Einschränkungen vornehmen können, wie zum Beispiel die Teilnehmerzahlen für private Feiern zu begrenzen oder lokale Alkoholverbote auszusprechen.

„Wenn wir in unsere europäischen Nachbarländer schauen, sehen wir, dass es in Madrid oder Paris zu lokalen Lockdowns kommt, Cafés und Bars müssen schließen, in Italien soll es bald eine landesweite Maskenpflicht im Freien geben. Das wollen wir in Baden-Württemberg verhindern. Deshalb heißt es jetzt, wachsam bleiben und bei der Einhaltung der Corona-Regeln nicht nachlassen“, betonte Kretschmann. Ziel sei es, auf Basis der erarbeiteten, landesweit einheitlichen adaptiven Pandemieschutzstrategie das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu halten und das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren. „Eine abgestimmte Vorgehensweise ist entscheidend, um einer stärkeren landesweiten Ausbreitung des Virus nachhaltig zu begegnen.“

„Unsere Krankenhäuser und unser Gesundheitssystem sind gut vorbereitet. Wir haben ausreichend Intensivbetten, die Kassenärzte haben bereits wieder flächendeckend Corona-Ambulanzen aufgebaut, wir haben klare Regeln und Vorgaben für das Verhalten im Alltag, für Feiern, für den Sport, für Kultur, für die Schulen. Wir dürfen in dieser Phase, in der das Infektionsgeschehen langsam aber stetig nach oben geht, nicht nachlassen und all unsere bisherigen Anstrengungen zunichtemachen. Unser Pandemiekonzept bietet einen Instrumentenkasten, mit dem wir sehr gut auf das Infektionsgeschehen im Land reagieren können“, so Lucha abschließend.

Informationen zu den Pandemiestufen und Matrix der Lebensbereiche (PDF)

Weitere Änderung der Corona-Verordnung

Außerdem hat das Kabinett in seiner heutigen Sitzung eine weitere Änderung der Corona-Verordnung aufgrund des Beschlusses der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 29. September 2020 beschlossen.

So wird geregelt, dass falsche persönliche Angaben in Gästelisten in Restaurants mit einem Bußgeld belegt werden können. Gäste, die über ihre Identität falsche Angaben machen, können mit einem Bußgeld zwischen 50 und 250 Euro bedacht werden.

Höchstteilnehmerzahl bei Feierlichkeiten

Zudem soll eine Höchstteilnehmerzahl vorgesehen werden, wenn in einem Landkreis die 7-Tages-Inzidenz von 35 überschritten ist. Für Feierlichkeiten in öffentlichen oder angemieteten Räumen gelten dann maximal 50 Teilnehmer, in privaten Räumen sollen keine Feierlichkeiten mit mehr als 25 Teilnehmern veranstaltet werden. Wenn in einem Landkreis die 7-Tages-Inzidenz von 50 überschritten wird, werden weitere Maßnahmen erlassen. Insbesondere soll die Teilnehmerzahl auf höchstens 25 Teilnehmer in öffentlichen oder angemieteten Räumen festgelegt werden. In privaten Räumen dürfen dann keine Feierlichkeiten mit mehr als zehn Teilnehmern durchgeführt werden. Diese Beschränkungen sollen noch in dieser Woche von der Lenkungsgruppe „SARS-CoV-2 (Coronavirus)“ beraten und danach durch Erlass des Ministeriums für Soziales und Integration den zuständigen kommunalen Behörden verbindlich vorgegeben werden.

Das dreistufige Pandemiekonzept

Durch die den drei Pandemiestufen zugeordneten Maßnahmen soll das Infektionsgeschehen lageabhängig eingedämmt und so verhindert werden, dass erneut noch weitreichendere Maßnahmen notwendig werden.


Pandemiestufe 1: „Stabile Phase“

Ausbruchsgeschehen lokal abgrenzbar, Infektionsketten zum Großteil nachvollziehbar; Regionale Infektionsschutzmaßnahmen nach regionaler Stufe

Landesweite 7-Tage-Inzidenz unter 10/100.000 Einwohner

Die Pandemiestufe 1 stellt eine Art „stabile Phase unter den Bedingungen der Pandemie“ dar. Sie umfasst Regelungen und Maßnahmen gemäß der Haupt-Corona-Verordnung sowie den einzelnen Verordnungen bei moderaten Infektionszahlen. Diese zielen darauf ab, ein möglichst normales Leben mit der Pandemie zu ermöglichen. Das Ausbruchsgeschehen ist lokal klar abgrenzbar und die Infektionsketten können nachverfolgt werden.

Ziel aller Maßnahmen ist es, das öffentliche und private Leben so wenig einzuschränken wie möglich. Bereits in Pandemiestufe eins kann es temporär in einzelnen Stadt- oder Landkreisen zu einer Überschreitung der 7-Tage-Inzidenz von 35/100.000 Einwohner kommen. Dies hat regionale Maßnahmen zur Folge. Die Zahlen der Landkreise fließen zwar in die landesweite Berechnung ein, die Bewertung der landesweiten Lage bleibt jedoch hiervon zunächst unberührt.


Pandemiestufe 2: „Anstiegsphase“

Landkreisüberschreitende Ausbruchsgeschehen, zunehmend unklare Infektionsketten, gehäuftes Auftreten von großen Erkrankungsclustern, Zunahme von Ausbrüchen bei bestimmten Einrichtungen und Veranstaltungen

In der Pandemiestufe 2 („Anstiegsphase“) wird die landesweite 7-Tage-Inzidenz von 10/100.000 Einwohner überschritten und geht mit einem landesweiten diffusen Anstieg des Infektionsgeschehens oder einer absoluten Verdopplung der landesweiten wöchentlichen Fallzahlen in den zurückliegenden 14 Tagen einher. Ein diffuser, landesweiter Anstieg liegt vor, wenn über die Hälfte der Stadt- und Landkreise die 7-Tage-Inzidenz von 5/100.000 Einwohner überschreitet.

Ziel ist die Vorbereitung eines schnellen und bezüglich der Ausprägung des Infektionsgeschehens zielgenauen Handelns, damit mögliche Infektionsketten unterbrochen und Ausbrüche schnellstmöglich eingedämmt werden. Hierbei sind zusätzliche Maßnahmen wie Appelle an die Bevölkerung, die geltenden Regeln einzuhalten, die Kontrolle der geltenden Regeln auszuweiten sowie erste Einschränkungen in ausgewählten Lebensbereichen vorgesehen. Im Rahmen dieses Konzepts werden dazu Szenarien und zugehörige Handlungsleitfäden vorgelegt, die im Bedarfsfall sofort zur Verfügung stehen und in deren Umsetzung alle Beteiligten bereits instruiert wurden.


Pandemiestufe 3: „Kritische Phase“

Starker, gegebenenfalls exponentieller Anstieg der Infektionszahlen mit zumeist nicht mehr nachvollziehbaren Infektionsketten

Der Eintritt in Pandemiestufe 3 („Kritische Phase“) wird definiert durch Überschreitung der landesweiten 7-Tages-Inzidenz von 35/100.000 Einwohner. Es besteht ein starker, gegebenenfalls exponentieller Anstieg der Fallzahlen mit diffusen, häufig nicht mehr nachvollziehbaren Infektionsketten. Verschärfte Maßnahmen, die zur Verhütung und Bekämpfung von SARS-CoV-2 geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind, werden umgesetzt. Diese sind insbesondere erforderlich, um das Gesundheitswesen nicht an seine Kapazitätsgrenzen zu bringen.

Ziel ist es, die aufgetretene Infektionswelle schnellstmöglich zum Abklingen zu bringen und zusätzliche weitreichendere Maßnahmen, wie einen landesweiten Lockdown zu verhindern. Reichen die für Pandemiestufe drei vorgesehenen Maßnahmen nicht aus, um eine weitere Ausbreitung des Infektionsgeschehens einzudämmen, können jederzeit die erforderlichen Verschärfungen vorgenommen werden.