Der Weinsberger Gemeinderat hat sich in seiner Sitzung am 27.07.2021 intensiv mit der Beschaffung von mobilen Luftfilteranlagen für Schulen und Kindertageseinrichtungen beschäftigt. Hintergrund ist die kürzlich erfolgte Bereitstellung von Fördermitteln der Landesregierung, die allerdings an bestimmte enge Bedingungen geknüpft ist.
Entsprechend den aktuellen Veröffentlichungen werden die mobilen Luftfilteranlagen für Räume empfohlen, in welchen Altersklassen vom 1. – 12. Lebensjahr unterrichtet bzw. betreut werden und die schlecht zu belüften sind. Das Stadtbauamt hat in Zusammenarbeit mit der Hüttinger Ingenieurgesellschaft für Bauphysik aus Lehrensteinsfeld eine Einschätzung der Räumlichkeiten vorgenommen. Es wurde festgestellt, dass es in Weinsberg fast keine entsprechenden Räume mit Lüftungsdefiziten gibt. Aus Sicht des Ingenieurbüros sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich.
Zudem sind die mobilen Luftfilteranlagen bei der Verbesserung der Raumlufthygiene lediglich als ein Baustein unter anderen zu betrachten, um die Infektionsgefährdung zu reduzieren. Sie sind jedoch kein Allheilmittel (*1). Ministerpräsident Kretschmann verweist aktuell darauf, dass „Lüften das Mittel der Wahl bleibt“ um die Aerosole in der Raumluft zu reduzieren, auch im Winter (*2).
Dies bestätigt auch Dr. Michael Saefkow, welcher als Mikrobiologe und Hygieniker mit jahrelanger Erfahrung im Bereich Luftreinhaltung tätig war und als fachkundiger Bürger hinzugezogen worden war. Mit seinem Sachvortrag hat er den Gemeinderat umfangreich informiert. Eine Viruslast von 10-50 Viren seien ausreichend, um
Personen im näheren Umfeld anzustecken. Die Luftfilteranlage erreicht zwar eine Virusfiltration von 99,95 %, jedoch werden bei einem Niesen etwa 1 Mrd. Viren in der Luft verstreut, das heißt 0,5 Mio. Viren bleiben dennoch in der Raumluft erhalten. Die Luftfilteranlage würde demnach eher die Viren im Raum verteilen und keineswegs auf die geforderten kleiner 50 reduzieren können.
Sollte ein Spreader im Klassenzimmer sein, findet die Kontamination ohne Luftfilteranlage nur im direkten Umfeld statt. Mit einer Luftfilteranlage jedoch könnten über den kontinuierlichen Luftstrom alle Personen im Raum kontaminiert und damit die Ausbreitung von Corona sogar begünstigt werden.
Der Weinsberger Gemeinderat hat sich daher in öffentlicher Gemeinderatssitzung am 27.07.2021 VORBEHALTLICH NEUER ERKENNTNISSE und NACH DERZEITIGEM WISSENSSTAND gegen die Anschaffung von mobilen Luftfilteranlagen entschieden. Das richtige „Stoßlüften“ ist das Mittel der Wahl, um die Aerosolbelastung in den fraglichen Räumen
zu minimieren.
Als flankierende Maßnahme hat die Stadtverwaltung Weinsberg im Rahmen einer Eilentscheidung bereits in der vergangenen Woche CO2-Sensoren beschafft. Zur Sicherung der Luftgüte in den fraglichen Räumen ist richtiges Lüften unerlässlich. Die in der Diskussion stehenden Luftfilteranlagen können kein CO2 aus der Luft herausfiltern, weshalb ein richtiges Stoßlüften ohnehin unerlässlich ist. Bei diesem Stoßlüften werden dann auch Virenlasten ins Freie befördert, weshalb die Anschaffung von mobilen Lüftungsanlagen verzichtbar ist. CO2- Ampeln messen nach ihrer Installation während des Unterrichts kontinuierlich die Raumluft und signalisieren optisch und akustisch steigende CO2-Konzentration und geben somit den Nutzern eine Unterstützung zur Wahl des richtigen Zeitpunktes für die Fensterlüftung.
*1 Quelle: „Infektionsschutz im Klassenzimmer ist nicht nur eine Frage der Technik“, Interview mit
Stuttgarter Schulbürgermeistern Isabel Fezer, Stuttgarter Zeitung vom 08.07.2021
*2 Quelle: „Bei Luftfiltern kommt es auf Kommunen an“, Stuttgarter Zeitung vom 07.07.2021